Warum mit "Hamas" und "Hisbollah" kein Frieden möglich ist
In den Leit- und Qualitätsmedien wurde die Resolution der UN-Vollversammlung breit diskutiert. 120 der 193 Mitgliedsländer - darunter Frankreich - stimmten dafür, 14 dagegen. 45 - darunter Deutschland - enthielten sich.
Die Verfasser der Resolution, eine Gruppe aus 22 arabischen Staaten unter der Führung von Jordanien, brachten das Kunststück fertig, die sogenannte "Hamas" mit keinem Wort zu erwähnen. Das Ergebnis sollte keinen verwundern, es war absehbar, schließlich wurden sowohl in der Vollversammlung als auch im Sicherheitsrat mehr Resolutionen gegen Israel eingebracht als gegen Nordkorea und Iran zusammen. In der Resolution wird als erste Forderung formuliert: »The General Assembly [...] 1. Calls for an immediate, durable and sustained humanitarian truce leading to a cessation of hostilities; [...]«
Hier nachzulesen: https://documents-dds-ny.un.org/.../PDF/N2331920.pdf
Interessant ist, was die Medien daraus machen. Haaretz, The Times, The Guardian und Ynetnews zitieren das, was da tatsächlich steht - "humanitarian truce". Jerusalem Post, The Times of Israel, The Washington Post und Daily Mail schreiben von einer Forderung nach einem "immediate ceasefire". Spiegel, Tagesspiegel, Berliner Zeitung und Welt lesen dort die Forderung für eine "sofortige Waffenruhe". Die ZEIT hingegen dekliniert alle Möglichkeiten durch: "humanitäre Waffenruhe, sofortige Feuerpause, humanitärer Waffenstillstand".
Das Problem ist, dass die englischen Begriffe bis auf einen mehrdeutig sind. Truce, dem proto-germanischen trewwō entlehnt, was "Treue, Versprechen" bedeutet, kann sowohl Waffenruhe als auch Waffenstillstand meinen. Ceasefire, eigentlich cease-fire, von cease wie "enden, aufhören, verstummen", ist noch unspezifischer, der Begriff kann Feuerpause, Feuereinstellung, Waffenruhe, Einstellung der Kampfhandlungen (Collins Dictionary) oder Waffenstillstand meinen. Der konkreteste Begriff ist armistice, wahrscheinlich, weil er direkt vom lateinischen "armistitium" abgeleitet ist. Er bedeutet nur und ausschließlich "Waffenstillstand", der 11. November ist in Großbritannien als Armistice Day ein Gedenktag in Erinnerung an den 11.11.1918.
Warum ist die Unterscheidung wichtig? Weil sich dahinter in den deutschen Leit- und Qualitätsmedien entweder Unwissenheit und/oder aber die Absicht verbirgt, die öffentliche Meinung hinsichtlich der Forderungen an Israel in eine bestimmte Richtung zu lenken. Zunächst zur Erklärung aus militärischer Sicht. Eine Feuerpause ist eine (in der Regel) einseitige, temporäre, möglicherweise regional begrenzte taktische Maßnahme, die für alle beteiligten oder nur für bestimmte Waffengattungen und Truppenteile gelten kann. Sie dient dem Schutz den eigenen Truppen vor friendly fire, zum Beispiel beim Bergen von Toten und Verwundeten oder beim Einsatz von Bodentruppen. In den letzten 48 Stunden berichteten die Nachrichtensendungen bei Welt, ntv, Phoenix und anderen, dass die Luftangriffe der IDF im Vergleich zu den Vortagen deutlich abgenommen hatten. Der Grund war, dass Bodentruppen der IDF in Gaza im Einsatz war und bis zur Küste vorstießen. Es wurde also eine temporäre Feuerpause der Luftstreitkräfte befohlen.
Eine Waffenruhe ist ein beidseitig bzw. zwischen den beteiligten Parteien vereinbarte, vorübergehende Unterbrechung von Kampfhandlungen zur Bergung von Verwundeten oder für die humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung. Die Vereinbarung einer Waffenruhe unterliegt keinen Regularien, sie kann aber der erste Schritt zu Waffenstillstandsverhandlungen sein. Die sogenannte "Hamas" hat eine Waffenruhe mehrmals abgelehnt.
Der Waffenstillstand ist das vorläufige Niederlegen der Waffen im Krieg, meistens unter Aufsicht einer vermittelnden dritten Partei. Er unterliegt der rechtlichen Definition und den Regularien der Haager Landkriegsordnung von 1907. So heißt es in Artikel 36: "Der Waffenstillstand unterbricht die Kriegsunternehmungen kraft eines wechselseitigen Übereinkommens der Kriegsparteien. Ist eine bestimmte Dauer nicht vereinbart worden, so können die Kriegsparteien jederzeit die Feindseligkeiten wieder aufnehmen." Der bekannteste, weil bis heute andauernde Waffenstillstand ist der zwischen Nord- und Südkorea, der im Korean War Armistice Agreement vom 27. Juli 1953 unter Aufsicht der UNO festgelegt wurde. Einen Friedensvertrag gibt es dort bis heute nicht. Deutschland schloss übrigens weder im November 1918 noch im Mai 1945 einen Waffenstillstand. 1918 ging die Waffenruhe sofort in Friedensverhandlungen über, 1945 schloss die Forderung der Alliierten nach einer bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reiches und seiner Verbündeten eine Waffenstillstand kategorisch aus, weil es aus Sicht der Alliierten nichts zu verhandeln gab.
DSTR ist in der Militärsprache die Abkürzung für destroy (zerstören, vernichten, löschen).
Hostages Held by Hamas The Names of Those Abducted From Israel
Israel's Dead The Names of Those Killed in Hamas Attacks, Massacres and the Israel-Hamas War
Die Forderung nach einer Waffenruhe ignoriert, dass die sogenannte "Hamas" diese über die Jahre bisher immer ablehnte. Da ihnen nun als direkte Folge ihrer bestialischen Attacke die Kufiya brennt, verlangen sie und ihre Sympathisanten plötzlich eine Waffenruhe. Jetzt wird sie aber von Israel abgelehnt.
Die Forderung nach einem Waffenstillstand impliziert - bewusst oder unbewusst - den Wunsch oder gar die Forderung nach einer Kapitulation Israels und der IDF. Genau das - eine Kapitulation - wäre es, wenn Israel Waffenstillstandsverhandlungen anböte oder initiierte, und zwar aus Sicht der Hamas. Diejenigen, die das hierzulande und anderenorts fordern, ignorieren (oder sie wissen nichts davon) das islamische Prinzip der Hudna, was "Waffenstillstand" heißt. Im islamischen Recht (Scharia) ist eine Hudna die einzige Form friedlicher Koexistenz zwischen dem Gebiet ("Haus") des Islam (Dār al-Islām) und einem nicht unter islamischer Herrschaft stehenden Gebiet ("Haus") des Krieges", (Dār al-Harb), da ein Friede zwischen beiden Gebieten im klassisch-islamischen Rechtsdenken unmöglich ist. (nach Encyclopaedia of Islam) Alle militant- und terroristisch-islamistischen Milizen und waffentragende Gruppen wie "Hamas", "Hisbollah", "Islamischer Dschihad" und Daesh, deren Ideologie unter den Regeln der Scharia steht und/oder welche die Etablierung eines islamischen Gottesstaates unter dem Diktat der Scharia anstreben, können und dürfen nach ihrem Selbstverständnis keinen Frieden mit Israel schließen (und den USA und dem übrigen Westen übrigens auch nicht). Sie können allenfalls eine Hudna beschließen - unter ihren Bedingungen. In einem Text mit dem Titel "Waffenstillstand - Die Falle der Hudna" für Hagalil schrieb Guy Bachor im März 2000: »Hudna bedeutet im Wesentlichen einen Waffenstillstand auf Anweisung der Glaubensführer, bis zur Wiederaufnahme der Kämpfe. Die Regeln für eine Hudna sind tief verwurzelt und stützen sich auf den Glauben an die Überlegenheit des Islam. Deshalb ist eine Anerkennung der Hudna durch Israel nicht nur die Bestätigung, minderwertig und ketzerisch zu sein, sondern Israel stimmt damit auch zu, dass die Kämpfe mit der Hamas wieder aufgenommen werden.«
Quelle https://www.hagalil.com/israel/terror/hudna.htm
Yuval Diskin, von 2005 bis 2011 Präsident des Schin Bet, bringt es auf den Punkt:
»Den 7. Oktober als Terrorattacke zu bezeichnen, greift zu kurz. Für mich handelt es sich hier um einen Clash of Civilizations, Kampf der Kulturen. Ich bin Spezialist für Terrorismusbekämpfung, und die Hamas ist mehr als bloß eine Terrororganisation. Viele im Westen verstehen nicht, wie tief ihre Ideologie reicht, wie stark und wichtig sie ist. [...] Die Hamas ist der palästinensische Ableger der Muslimbrüder. Die Islamisten erheben Anspruch auf für sie genuin muslimisches Land. Ihre Mission heißt islamischer Staat. Wir Israelis scheinen ihre wahre Natur entweder vergessen oder verdrängt zu haben. Unsere Armee, unsere Politiker, alle scheinen geglaubt zu haben, die Ruhe hier halte ewig. Man kann aber mit Fundamentalisten nichts aushandeln. Die Islamisten haben auch ein anderes Verständnis von Zeit, sie denken in sehr langen Bögen. Für sie ist es egal, ob ihr islamischer Staat in fünf oder in hundert Jahren kommt. [...] Ich sage nicht, dass die Hamas nicht rational denkt, aber sie hat eine andere Rationalität.«
Quelle (Bezahlschranke): https://www.spiegel.de/ausland/israels-krieg-gegen-die-hamas-ex-geheimdienstchef-yuval-diskin...
Fazit: Israel und die IDF haben keine andere Wahl, als das zu tun, was sie tun mit dem Ziel, die "Hamas" zu zerschlagen. Ein Zitat aus einem Interview mit dem Historiker Meron Mendel, erschienen am 31. Oktober 2023 in der ZEIT, verdeutlicht, warum das so ist: »Die Hamas hat eine fundamentalistische Ideologie, die darauf abzielt, alle Jüdinnen und Juden in Israel zu vernichten. Danach vernichtet sie alle Palästinenser:innen, die nicht zu ihrer Ideologie passen, seien es Homosexuelle oder Frauen, die keinen Schleier tragen wollen. Und diese ziemlich banale und einfache Erkenntnis wird von Aktivist:innen im Pro-Palästina-Lager völlig ignoriert. Ich staune immer wieder darüber, dass es ihnen so schwerfällt, die Hamas ohne Wenn und Aber zu verurteilen.«
Quelle (Bezahlschranke) https://www.zeit.de/.../meron-mendel-israel-hamas...
Die Dimension der bestialischen Attacken am 7. Oktober lässt keine andere Option als die von Israel und den IDF gewählte zu. Konstantin Sakkas in einem Artikel im Tagesspiegel vom 25.10.2023 deutlich wie kein anderer Autor in den hiesigen Medien beschrieben, was da eigentlich passierte:
»Die brutalen Gewalttaten der Hamas-Kämpfer gegen israelische Frauen, Kinder und Männer bei dem Überfall vom 7. Oktober haben eine neue Dimension. Es sind nicht einfach nur terroristische Attacken auf arglose Opfer – es ist bewusst und willentlich entgrenzte, sadistische Gewalt, zynisch festgehalten auf Videos, die in die Öffentlichkeit gebracht wurden. Es sind Exzesstaten gegen Wehrlose (auch gegen Wehrhafte verübt wären sie unzulässig und schockierend), deren Täter sich damit außerhalb der Zivilisation gestellt haben. Nicht nur wollten sie ihre Opfer physisch beseitigen, nicht nur wollten sie damit ein – wie auch immer zu bewertendes – politisches Zeichen setzen; sondern sie wollten vor allem Schmerz zufügen, erniedrigen, ihre Opfer entmenschlichen bis zur totalen physischen oder psychischen Zerstörung. Die Opfer sollten, um mit Hannah Arendt zu reden, "tausend Tode sterben". [...]«
Quelle (Bezahlschranke): https://www.tagesspiegel.de/wissen/der-angriff-der-hamas....html
Ob es tatsächlich gelingen wird, diesen Hort entmenschlichter Bestialität namens "Hamas" zu zerschlagen, oder - falls es gelingen sollte - ob eine neue Generation blindwütiger Fanatiker und Terrorbestien unter einem neuen Label heranwächst, ist eine andere Frage.