Der Fall Troitsky oder das Ende des russischen Rock'n'Roll

Artemy Troitsky ist ein russischer, seit 2014 in Tallin lebender Musikjournalist, zumindest nennt er sich so. Ich wurde zum ersten Mal auf ihn aufmerksam, als ich zu Sergej Schnurow und seiner Gruppirowka Leningrad recherchierte, und zwar wegen Troitzkys extrem unsachlicher, polemischer und von offensichtlich persönlichen Aversionen geprägten "Kritiken" zu Schnurow. Als ich begann, zu Jegor Letow zu recherchieren, begegnete mir Troitsky wieder, diesmal mit regelrecht hasserfüllten Aussagen zu Letow, auch solchen post mortem zum längst verstorbenen Letow. Seine "Kritiken" zumindest zu diesen beiden Musiker sind keine, sondern Denunziationen ad hominem in der Funktion von "Red Herrings", also um mit Scheinargumenten von der eigenen - hier sachlich-argumentativen - Schwäche abzulenken. Ich konnte also Troitzkys Werbekampagne nicht umkommentiert stehen lassen und habe in diversen Plattformen eine Gegenkampagne in drei Sprachen zum Zwecke der Aufklärung über das tatsächliche Treiben dieses unangenehmen Zeitgenossen gestartet, die ich hier dokumentiere.

Nun tingelte dieser unangenehme Zeitgenosse durch Deutschland, vermutlich um im aktuell laufen Wettbewerb DSDGR - "Deutschland sucht den guten Russen" - Trittbrett zu fahren und das konnte ich natürlich nicht unerwidert lassen. Deshalb dieser Blick zurück in die Geschichte der sowjetischen Rockmusik mit besonderem Augenmerk auf die Rolle die Troitsky auch spielte - als Erfüllungsgehilfe der KPdSU und des KGB, unter dessen Regie und Obhut wurden die Rockclubs und -labore in der UdSSR gegründet, dessen Moskauer Variante Troitsky seinerzeit Vorstand. Er selbst hat es ja offensichtlich vergessen und sein Wikipedia-Eintrag hält sich erstaunlich bedeckt für jene Zeit.
Russische Version des Textes https://bit.ly/3A6fNEr
Englische Version des Textes https://bit.ly/3Aye2l6
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Troitsky bei Wikipedia (en) https://en.wikipedia.org/wiki/Artemy_Troitsky

Zur Zeit tingelt Artemy Troitsky, eine der seltsamsten (und unangenehmsten) Figuren in der Geschichte der sowjetisch-russischen Rockmusik, durch Deutschland, um das Publikum mit seinem "Insiderwissen" zu beglücken. Für 37,00 bis 44,87 Euro erklärt Troitsky der Werbung des Veranstalters zufolge, dass sich die Rockmusik in der UdSSR »nur dank mutiger Manager, die illegale Konzerte veranstalteten, und einer starken Gemeinschaft, die im Härtefall Solidarität bewies« entwickeln konnte.
Wird Herr Troitsky auch von seinem Kampf - auch als Denunziant - gegen oppositionellen musikalischen Untergrund in der Sowjetunion - vielleicht nicht im Dienst, sicher aber im Interesse von KPdSU und KGB - erzählen? Höchstwahrscheinlich nicht, deshalb sei hiermit darauf hingewiesen.

»Damals, 1986 und 1987, wurden wir für fast alles "verarscht" (Anmerkung: das meint hier inhaftiert), auch für den Vertrieb von Untergrundzeitschriften. Auch 1987 wurden Denunziationen verfasst. Insbesondere viele Mitglieder des Rocklabors, darunter Artemy Troitsky [...] unterzeichneten eine dieser Denunziationen. Die Denunziation richtete sich gegen uns - die Urlait-Redaktion, den Underground, den Rock-Underground im Allgemeinen - weil wir nicht nach ihren Regeln spielen wollten.«
Alexej Koblow, Verfasser der ersten russische Letow-Biografie, Quelle (ru): https://www.sibreal.org/a/30171424.html

Am 20. Februar 1990 sagte Jegor Letow vor einem sehr zornigen Vortrag dreier seiner Lieder bei einem Konzert zum Gedenken an Alexander Baschlatschow diese Worte über Troitsky:

»Und ich möchte alle in diesem Saal versammelten Pops grüßen, alle Ästheten unter der Leitung von Artemy Troitsky. All diese Leute, die unseren ganzen Rock oder das, was mal Rock zusammen mit Saschka Baschlatschow war, in eine solche Scheiße verwandelt haben!«

Troitsky hasst Letow bis heute heute für die Äußerung dieser schlichten Wahrheit vor ca. 2.500 Zuschauern, wie zahlreiche Äußerungen Troitskys zu Letow beweisen. (Erklärung der Begriffe am Fußende des Textes)

Jegor Letow auf dem Konzert zum Gedenken an Alexander Baschlatschow

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Das ist der Text der Denunziation, auf die Koblow sich bezieht und die Troitsky zusammen mit anderen Mitglieder des Moskauer Rocklabors verfasste und unterschrieb:

»Abteilung Propaganda und Agitation des Moskauer Staatskomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion
Die Redaktion der Zeitung "Sowjetische Kultur"
Die Redaktion der Zeitung "Moskowskaja Prawda"
Die Redaktion der Zeitung "Moskowskije Nowosti"

Der Künstlerische Rat und die Verwaltung des Moskauer Kreativlabors für Rockmusik sind befugt zu erklären:
Seit einigen Jahren werden in Moskau verschiedene illegale Magazine veröffentlicht: Ucho, Zombie, Urlayt, die einen unerbittlichen Kampf gegen alle Arten von Versuchen führen, Rockmusik zu sozialisieren, die eine harte antisowjetische Linie verfolgen, die einzelne staatliche Institutionen und Organisationen diffamieren sowie die sowjetische Ideologie und Kultur im Allgemeinen. Diese Zeitschriften erfreuen sich großer Beliebtheit bei Rockmusikliebhabern und prägen seit vielen Jahren den Geschmack und die öffentliche Meinung in Bezug auf bestimmte Gruppen, Einzelpersonen und Organisationen. Die Schaffung des Labors hat den Wirkungsmechanismus dieses Untergrunds gebrochen. Seit anderthalb Jahren sind alle Gruppen des Moskauer Rock (einschließlich solcher "Säulen" des Untergrunds wie Krematorium, Klänge von Mu, DK) unter Kontrolle und der Zustrom neuer Bands findet direkt ins Labor statt, unter Umgehung der "Generäle" des Untergrunds. Das gegenwärtige System erzeugt wütenden Zorn und zahlreiche Versuche, Rache zu nehmen und die Existenz des Labors zu beenden.
Der Künstlerische Rat und die Verwaltung des Rocklabors fordern, die Aktivitäten von M. Sigalov, I. Smirnov, A. Gildenbrandt und der hinter ihnen stehenden Personen zu stoppen und die Aktivitäten des Labors vor Verleumdungen und Provokationen zu schützen.
Das positive Aktionsprogramm der Gründungsorganisationen zur Überwindung der Krisensituation ist in der Arbeitsordnung dargestellt.
[...]
A. Troitsky
[...]«
Quelle (ru): Andrej Filimonow - "Убей в себе государство" https://www.sibreal.org/a/30171424.html
Moscow Rock Laboratory (Wikipedia, en): https://en.wikipedia.org/wiki/Moscow_Rock_Laboratory

Der russische Rockpoet Aleksandr Nepomnyashchiy schrieb ein spöttisches Lied über den Zustand der russischen Rockmusik insbesondere in Hinblick auf die Funktion und das Wirken der von der KPdSU und dem KGB installierten beziehungsweise angeleiteten Rocklabore und Rock-Clubs mit dem Titel "Das Ende des russischen Rock'n'Roll" (Text des Liedes in der Beschreibung zum Video). In diesem Lied bedachte er Troitsky in der Verszeile "Дело Троицких или конец русского рок-н-ролла" (Der Fall Troitsky oder das Ende des russischen Rock'n'Roll) explizit mit einer besonderen Rolle beim - wie Nepomnyashchiy es sah - Ende der freien, dissidentischen russischen Rockmudsik.

Aleksandr Nepomnyashchiy - Das Ende des russischen Rock'n'Roll

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Nebenbei angemerkt - für 39,00 € kann man am 09.10.2022 die Altmeister des Symphonic Black Metal Cradle of Filth im Berliner Columbia Theater sehen und hören und für 34,70 € am 22.10.2022 die Punk-Legende Dead Kennedys im Berliner Astra. Das ist garantiert besser angelegtes Geld, als das Alterseinkommen einer fragwürdigen Figur wie Troitsky aufzubessern.

Jegor Letow verstarb 43-jährig am 19. Februar 2008, Aleksandr Nepomnyashchiy mit 40 Jahren am 20. April 2007. Der da penetriert die Welt bis heute mit seinem Hass auf die seinerzeit tatsächlichen Dissidenten und seinen verdammten Lügen. Gerecht ist das nicht.

Erklärungen zu Letows Aussage über Troitsky: Попс (pops) ist umgangssprachlich und heißt übersetzt in etwa "Knall, Knaller, knallen". Letow verwendete den Begriff gerne als spöttische bis verächtliche Bezeichnung für Produkte der konformistischen - und im weitesten Sinne systemkonformen - Pop- und Massenkultur sowie für deren Produzenten. Er kommt in diesem Sinne den deutschen Begriffen "Knalltüte, Knallkopf" am nächsten. Жопа (schopa) ist ein Mat-Begriff als Vulgärausdruck für das Gesäß, die Worte "в такую жопу" kann man mit "in eine solche Scheiße" oder "in diesen Arsch" übersetzen. Allerdings hat der Begriff in dieser Kombination eine weitere Bedeutungsebene und ich denke, dass Letow eben das implizierte. Er bezeichnet - der deutschen Wendung "im/am Arsch sein" ähnlich - im übertragenen Sinne auch eine schwierige oder gar aussichtslose Lage.